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Farid´s Qualifighting in Münster: Wer boxen will, muss pauken!

Die Kinder, die nach der Schule zum „BoxLernStall“ in Münster-Coerde kommen, wollen vor allem eins: Boxen.

In der großen Halle wartet nicht nur der zentrale Ring auf sie. Drumherum hängen Sandsäcke und andere Trainingsgeräte, ein Spiegelraum lädt zum Schattenboxen ein, im Fitness-Bereich können jede Menge Gewichte gestemmt werden. Bevor die Schüler aber ins Schwitzen kommen, müssen sie einen anderen Raum betreten. Darin: Schultische, Bücherschränke und Computer.

Marliese Kosmider ist eine von vielen ehrenamtlichen Unterstützern des Projekts. Sie gibt den Schülern vor ihrem Boxtraining Nachhilfeunterricht. Die Verbindung von Sport und schulischer Förderung ist die Idee des Angebots. Foto: Kirche + Leben / Michael Bönte

„Daran kommt keine vorbei“, sagt Marliese Kosmider. „Wer boxen will, muss auch lernen.“ So ist das im Projekt „Farid´s Qualifighting“, bei dem sie seit sechs Jahren ehrenamtlich den Lernbereich leitet. Die Kombination des schulischen mit dem sportlichen Training ist quasi Vereinsstatut, sagt die pensionierte Lehrerin: „Das ist ein unverrückbarer Teil unseres Projektes – es spricht beide Entwicklungen an – wir sind sozusagen ein duales Angebot.“

Ihre Aufgabe dabei fasst die 66-Jährige schmunzelnd zusammen: „Ich trainiere die Boxer nicht an der Birne, sondern in der Birne.“ Ein Team von fast 40 ehrenamtlichen Helfern steht ihr dabei zur Seite. Viele sind ehemalige Kollegen und Kolleginnen oder Studierende. Allen gemein ist der Ansporn, in dem multikulturellen Stadtteil ein wichtiges Angebot für Integration und zur Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher zu machen. „85 Prozent kommen mit einem Migrationshintergrund hierher“, sagt Kosmider. „Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen.“

Immerhin sind es manchmal mehr als 150 Teilnehmende in der Woche, im Jahr 2019 kamen fast 4500 Nachhilfestunden zusammen. Natürlich reizt die Schüler vor allem das Boxtraining. „Da muss ich manchmal aufpassen, dass sich nicht einer direkt in die Umkleidekabine schummelt.“ Mit den Trainern in der Halle steht sie dabei im direkten Kontakt. „Die passen mit auf, dass keiner durchrutscht.“

Denn die Jugendlichen haben sich verpflichtet, am Nachhilfeunterricht teilzunehmen. Die ehemalige Gymnasiallehrerin und ihre Mitstreiter sind dabei durchaus streng. „Ihre Klassenarbeiten müssen sie mitbringen, damit wir sie durchsprechen können.“ Auch ihre Schulzeugnisse müssen die jungen Boxer vorlegen. Mit den Eltern steht man ebenfalls im Kontakt. „Das hier soll keine Freizeitbeschäftigung sein, sondern eine gezielte Unterstützung des Schulunterrichts“, sagt Kosmider.
Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Kombination? Ein wenig lässt sich das über den Lebenslauf eines Gründers des Projekts erklären. Farid Vatanparast war Profiboxer, als ein Autounfall seine Karriere abrupt beendete. „Ich konnte erfahren, wie wichtig eine gute schulische Ausbildung neben dem Sport ist.“ Mittlerweile ist er Hochschuldozent und vielfältig sozial engagiert. Das Projekt „Farid´s Qualifighting“ startete der 52-Jährige vor etwa 15 Jahren gemeinsam mit dem heutigen Vorsitzenden Ulrich Thelen.

„Wir möchten, dass die jungen Menschen nicht nur Anerkennung für ihre sportliche, sondern auch für ihre schulische Leistung bekommen“, sagt Vatanparast. „Erfolgserlebnisse, Selbstvertrauen und Wissen bringen ihnen Perspektiven.“ Mit diesen Zielen entwickelten die beiden Freunde nach und nach das Projekt. Die Sporthalle konnte gebaut und Fördergelder aktiviert werden. Immer mehr Unterstützer sprangen auf. Auch die Corona-Pandemie konnte den Erfolg nicht aufhalten. Nachdem es wieder die Möglichkeit gibt, die Anlage unter Hygiene-Auflagen zu nutzen, ist der Zulauf erneut groß.

Text: Kirche + Leben / Michael Bönte